Mircea Barnaure: Alles ist möglich... |
Einerseits:
Ein Theaterfestival, das
alle Rekorde bricht. 427 Aufführungen, 66 Spielstätten, 35000
Besucher täglich. Zur Eröffnung: Big Bang, die Show
französischen Straßentheaterkompanie Plasticiens Volants. Dann:
Das Deutsche Theater Berlin mit Muttersprache Mameloschn,
das Teatr Polski aus Wroclaw mit Courtney Love, der besten
polnischen Aufführung 2013, das Burgtheater mit Reise nach
Petuschki. Tanz aus China, Kabuki aus Japan, Flamenco aus Spanien
– immer auf höchstem Niveau. Brandauer, LaBute, Pommerat,
Nekrosius und Kushida geben sich die Klinke in die Hand.
Wenn das so weitergeht,
wird Sibiu Avignon und Edinburgh überflügeln.
Andererseits:
Ein Premier (Victor Ponta), der
angeklagt ist, Vergütungen für nie stattgefundene Beratungen mit
Ministerpöstchen honoriert zu haben – und nicht zurücktreten
will.
Ein Parlament, das sich
weigert die Immunität dieses Premiers aufzuheben, also: die
Strafverfolgung behindert – und sich, quasi als Belohnung für
diese sehr demokratische Tat, unverschämte Rentenerhöhungen
bewilligt.
Ein Senatsvorsitzender (Calin Popescu Tariceanu),
der die einzig wirklich funktionierende Behörde des Landes: die
Antikorruptionsdirektion mit den Organen der Stalin-Zeit
vergleicht, weil sie ihn und seinesgleichen bedroht - und sich in
eine Normalität zurücksehnt, in der Bestechung und
Veruntreuung folgenlos blieben. (Gerade eben ist er der gemeinsamen
Sitzung von Senat und Abgeordnetenhaus, bei der Klaus Iohannis seine
Nationalstrategie für Sicherheit vorgestellt hat, absichtlich
ferngeblieben. Den Staatspräsidenten im Parlament zu empfangen und
diese Sitzung zu präsidieren, hätte zu seinen Pflichten als
Senatsvorsitzender gehört. Ihm war es jedoch wichtiger, Iohannis
öffentlich zu brüskieren.)
Ein Ex-Staatspräsident (Traian Basescu),
der sich bis vor einem halben Jahr als Bollwerk gegen die Korruption
präsentierte – und jetzt die vielen Verfahren gegen hohe Beamte
anprangert, weil sie nun auch seine Clique treffen.
Ein Bürgermeister (Andrei Chiliman), der bei
seiner Rückkehr aus dem Ausland gleich am Flughafen festgenommen
wird, weil er als Gegenleistung für städtische Aufträge seit
Jahren 10-15% gefordert haben soll.
Parlamentsmitglieder,
Minister, hohe Beamte, steinreiche Unternehmer, die in schöner
Regelmäßigkeit verhaftet werden, weil ihre Machenschaften endlich
Stück für Stück aufgedeckt werden (schwindelerregend die Beträge,
um die es geht; sie stammen nicht selten aus der nie versiegenden
Schatzkammer in Brüssel; wenn sie dort angelangt wären, wo sie
hätten anlangen müssen, würde Rumänien anders aussehen) – und
die mit neuen Gesetzen Verfahren blockieren wollen, damit ihrem
Treiben kein Ende gesetzt werde.
Bürger, die gegen dieses
System der Korruption, der Beziehungen und mafiotischen Seilschaften
nicht aufbegehren, weil sie sich damit mehr als abgefunden
haben – und nur so leben können. Die Krankheit währt ja seit
Jahrhunderten: Aus Byzanz geerbt, von Osmanen und Fanarioten
übertragen, unter Monarchie und Kommunismus erfolgreich verbreitet,
ist sie in Fleisch und Blut übergegangen, zum So-Sein geworden. Der
Geschichte sei Dank. (In diesem Sinne hat der Senatsvorsitzende
Recht: Das ist die Normalität. Folglich muß jeder Versuch,
Staat und Gesellschaft zu therapieren, als abnorm empfunden werden.
Wie im Bruderland Griechenland übrigens auch.)
Das alles sind
Begebenheiten der letzten zwei Wochen.
Woraus ersichtlich wird,
daß Rumänien ein aufregendes Land ist, widerspruchsvoll,
faszinierend: Hier ist jederzeit alles möglich. Auch – daß es
dich zur Verzweiflung bringt...
Ioana Orleanu
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen