Betr.: Die rumänische Sozialdemokratische Partei (PSD)
Mircea BARNAURE: Neue-alte Klasse |
Sehr geehrter Herr Pittella!
Wir fragen Sie gerade
heraus: Sind Sie stolz auf Ihre rumänischen Genossen von
der PSD?
Im Dezember haben sie die
Parlamentswahl gewonnen. Aber: Sie haben gewonnen, weil sie
unverantwortliche, absolut unerfüllbare Wahlversprechen gegeben und
die Öffentlichkeit mit einer wahren Flut xenophober, homophober,
nationalistischer, antieuropäischer Parolen überschüttet haben.
Jetzt stellen sie die
Regierung. Aber: Ihr dringlichstes Vorhaben ist, eine höchst
umstrittene Amnestieverordnung, die korrupten Politikern eine
vorzeitige Entlassung bzw. Straffreiheit garantiert, durchzusetzen.
(Pikanterweise wird diese Notverordnung als von der EU geforderte
Maßnahme zur Verbesserung der Lage in den überfüllten Gefängnissen
präsentiert.) Letzte Woche musste Staatspräsident Klaus Iohannis,
wie in einem wahren Politthriller, unangemeldet in die
Regierungssitzung stürmen, um jene Verordnung zu verhindern. Damit
hat er einen kleinen Etappensieg erzielt. Ob er den „Krieg“
gewinnen wird, das ist jedoch mehr als fraglich. Denn Ihrer Genossen
Herzensanliegen ist die Zerstörung der immer erfolgreicheren
Antikorruptionsbehörde (DNA), also: das Aushöhlen des schwer
aufgebauten Rechtssystems.
Verehrter Herr Pittella,
die bittere Wahrheit ist diese: In Rumänien existiert keine
Sozialdemokratie. Im Grunde gibt es dort überhaupt keine
Parteien. Weder linke noch rechte. Was existiert und prächtig
gedeiht, das sind Cliquen, Seilschaften, Interessenclans, eine ganze
Filzschicht mit sehr resistenten Wurzeln, die bis tief in die
kommunistische Vergangenheit reichen (wohlgemerkt: die PSD ist die
eigentliche Erbfolgerin der alten rumänischen KP). Ihre Mitglieder
scheren sich keinen Deut um Allgemeinwohl oder Parteiethos, sind aber
wahre Meister in Sachen Demagogie und Massenmanipulation. Was sie
wollen, ist unbedingter Machterhalt zwecks sorgenlosem Genuss illegal
angehäufter Vermögen sowie die Sicherung neuer illegaler
Einnahmequellen – auch aus EU-Mitteln. 16% (ja, Sie lesen richtig:
16 %!) der rumänischen Parlamentarier haben Probleme mit der Justiz,
darunter: der bereits zu einer einjährigen Bewährungsstrafe
verurteilte PSD-Vorsitzende Liviu Dragnea, der ehemalige Premier,
Victor Ponta, der unter gerichtlicher Aufsicht gestellt ist (seine
alte Plagiatsaffäre nimmt sich angesichts von Geldwäschevorwürfen
wie ein niedliches Kavaliersdelikt aus) sowie ihr Verbündeter, der
„liberale“ Senatsvorsitzende Calin Popescu Tariceanu.
Gegen ihn wird wegen Falschaussage und Verfolgungsbegünstigung
ermittelt. Selbstverständlich posieren alle als Unschuldslämmer und
werden nicht müde, von widerrechtlichen, nur politisch
bedingten Ermittlungen zu sprechen. Ja, einer wie Ponta schämt
sich dabei nicht, Parallelen zu den Verfolgungen der Stalinzeit zu
ziehen.
Dass diese Haltung nicht
abstößt, sondern, im Gegenteil, der Mehrheit aus der Seele spricht,
zeigt, dass eine beachtliche innere Revolte gegen alles Westliche,
Europäische, das (fälschlicherweise!) mit dem Establishment
gleichgesetzt wird, auch in Rumänien stattfindet. Und das ist in der
gegenwärtigen politischen Lage fatal.
Nun ruft man jetzt im
Westen mehr denn je nach einer starken EU. Berechtigterweise, denn
nur eine starke EU garantiert die europäischen Errungenschaften.
Dabei meinen wir nicht die ökonomischen Strukturen, die leider immer
im Vordergrund stehen, sondern: Aufklärung, freies Denken und
Handeln, Menschenwürde, Selbstständigkeit, also all jene Werte, die
das Individuum schützen und den menschlichen Geist
fördern. Sie sind langsam und schwer erkämpft worden, diese Werte,
die heute viele für so selbstverständlich halten, dass sie sie in
fahrlässiger Weise geringschätzen. Nicht auszudenken aber, wie der
Alltag ohne sie aussähe …
Eine starke EU, also.
Eine starke, rechtsstaatlich-demokratische, vorausschauende.
Eine, die weiß, was sich wo warum zusammenbraut und plant, vorbeugt,
entschieden reagiert. Rumänien aber, obwohl siebtgrößtes EU-Land,
ist im Bewusstsein vieler Westeuropäer quasi absent. Driftete es
eines schönen Tages in Richtung Moskau ab, würde das ziemlich viele
kalt erwischen.
Deshalb
wenden wir uns mit diesem Aufruf an Sie, verehrter Herr Pittella. Es
gereicht der europäischen Sozialdemokratie ganz und gar nicht zur
Ehre, mit dieser hetzenden Ganovenpartei in einem Boot zu sitzen. Sie
müssen endlich Ihre rumänischen Genossen
ins Visier nehmen, ihnen einen Verhaltenskodex aufzwingen, sie zum
Kampf gegen Korruption und für Rechtsstaatlichkeit verpflichten.
Denn: Führen sie ihr Vorhaben durch, zerstören bzw. entmachten sie
die DNA, so wird Rumänien wieder in Willkür und Gesetzeslosigkeit
zurückfallen. Und das kann wirklich nicht in europäischem Interesse
sein.
Zu
guter Letzt: Gestern Abend gingen in ganz Rumänien Zehntausende
(unter ihnen auch Klaus Iohannis) auf die Straße, um gegen jene
Amnestieverordnung zu demonstrieren. Liviu Dragneas Reaktion: Er
verglich diese friedlichen Demonstrationen mit den brutalen (von
seinen PSD-Vorgängern organisierten!) Bergarbeiterrebellionen
Anfang
der 90er Jahre und bezeichnete sie als versuchten
Staatsstreich.
Nun,
unverfroren zu desinformieren liegt im Welttrend. Aber: Ihm auch
erliegen – das dürfte die europäische Sozialdemokratie wirklich
nicht. Deshalb fordern wir Sie auf, diese Aussagen mit Nachdruck zu
verurteilen.
Mit
besten Grüßen,
Ioana Orleanu / Mircea Barnaure
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