1. Der Präsident: Traian
Basescu. Spieler. Bezeichnet sich selbst als solcher. Und ist es
auch. Ein besessener. Seine Lieblingspartie: divide et impera.
Sie hat ihm beträchtliche Feindschaft im ganzen Lande beschert.
Seine Popularität ist dahin. Doch Basescu gibt nicht auf. Rühmt
sich, das verschurkte System, dem er selbst entsprungen ist,
bekniet zu haben. In gewisser Weise stimmt das. Allerlei korrupte
Größen sind in den letzten Jahren nacheinander ins Gefängnis
gewandert. Kleiner Schönheitsfehler: sie waren fast alle Basescus
Feinde. Das erweckt den Eindruck krasser Einseitigkeit: Basescu
benutzt den Kampf gegen die Korruption als Waffe, um
höchstpersönliche Interessen durchzusetzen.
Sein gegenwärtiges
Problem: nach zwei Amtszeiten darf er laut Verfassung nicht mehr
weiterspielen. Deshalb setzt er alles auf seine Herzkandidatin, die
falschblonde Elena Udrea, und scheut keine Intrige. Sein
Einfallsreichtum und seine Energie sind grenzenlos.
2. Der Premier: Victor
Ponta. Junger und bestens vernetzter Vorsitzender jener mächtigen
Partei, die unter dem Etikett sozial-demokratisch die
Lokalbarone beherbergt. Plagiator. Und: ehemaliger verdeckter
Auslandsgeheimdienstler (das verriet neulich der Präsident). Von
Natur aus doppelzüngig und chamäleonartig (passt ausgezeichnet zum
Geheimdienstler, weniger – zum Premier/Präsidenten). Setzt alles
daran, um Präsident zu werden. Erlaubt sich daher allerhand.
Schwafeleien über eine Große Vereinigung mit Moldawien (das
entzückt die Patrioten); Haushaltsänderungen zwecks hemmungsloser
Verteilung von Wahlgeschenken, aber auch Hitlervergleiche und per
Notverordnung auf Zeit ausgesetzte Gesetze, auf dass weichgekochte
Bürgermeister folgenlos ins gesegnete Regierungslager überlaufen.
3. Klaus Iohannis:
Beliebter, weil fähiger Bürgermeister Hermannstadts und Pontas
einziger ernstzunehmender Gegenkandidat. Protestantischer
Deutschstämmiger. Ursprünglich Physiklehrer. Politischer
Quereinsteiger. Ernsthaft und sachorientiert. Einer, der zu Hause
Fliesen selbst legt (unerhört – in Rumänien, wo jedermann zu den
Herrschaften gehört) und im Rathaus Asphaltformeln
überprüft, wenn neue Straßenbelege zu schnell kaputtgehen. Einer,
der so konzise antwortet, dass
Moderatoren sich wundern, wie viele Fragen sie ihm stellen können.
Einer, der Grobschlächtigkeit ablehnt, das althergebrachte Laissez
faire überwinden will und, auch
im Wahlkampf, auf Fairness setzt. Der Hoffnungsträger also. Hat er
wirklich eine Chance?
4.
Der Wahlkampf: eine Schlammschlacht, in der jede Niedertracht erlaubt
ist. Das bevorzugte Angriffsobjekt: freilich Klaus Iohannis.
Bezeichnend dabei: das stillschweigende Einvernehmen, das zwischen
dem Basescu- und dem Ponta-Lager in dieser einen Beziehung herrscht.
Bezeichnend und nicht von ungefähr. Weil Iohannis die
Gefahr darstellt. Er ist nicht einer von - uns.
Und er macht womöglich ernst mit seinem Veränderungswillen. Ganz
ernst. Deshalb: laßt uns
ihn fertig machen. Besudeln wir
ihn, was das Zeug hält. Mal sehen, ob seine Weste dann schneeweiß
bleibt!
Die
Vorgehensweise ist denkbar einfach. Als erstes kehrt man Vorzüge in
Fehler um: Iohannis schweift nicht ab – also ist er stumm.
Er attackiert nicht unter der Gürtellinie – also ist er schwach.
Er redet sich nicht in Rage – also fehlt ihm das
Charisma. Er denkt nach, also
ist er introvertiert
(dieses wahrhaft schlimmen Lasters beschuldigt ihn Basescu
höchstpersönlich, sieht er doch in seiner eigenen, frechen
Extrovertiertheit die sine-qua-non-Eigenschaft
des Staatsoberhaupts). Als zweites verleumdet man und lügt: Iohannis
– ein Kinderhändler! Iohannis – ein deutscher Spion! Iohannis –
kein richtiger Mann! (Das, weil er keine Kinder hat.) Schließlich,
weil man ja nichts riskieren will, schürt man schamlos (und illegal)
die Volkes Ängste: man veranlasst die Post, auszutragende
Rentenbescheinigungen mit Flyern zu versehen: dass Iohannis Renten
kürzen werde, dass Ponta die einzige Rettung sei!
5.
Die Parteien: eigentlich mächtige Interessenseilschaften, in denen
Doktrinen keine Rollen spielen.
6.
Die rechte Opposition:
gespalten, verfeindet, egoman. Obwohl 2,2 Millionen Iohannis
Kandidatur mit ihrer Unterschrift unterstützen und er somit ihr
aussichtsreichster Kandidat ist, konnte sie sich nicht dazu
durchringen, ihn geschlossen zu unterstützen. So treten neben
Iohannis noch vier weitere Kandidaten aus dem rechten Lager auf, die
sich gegenseitig beflissentlich demontieren.
7.
Die Korruption: reicht immer noch bis in die höchsten Kreise (ein
anschauliches Beispiel: Basescus Bruder = Hauptperson in einem
Bestechungsskandal durch einen bekannten Roma-Clan).
8.
Die Justiz: steht immer noch unter dem Einfluß der Mächtigen - auf
schwachen Beinchen. Gewinnt Ponta die Wahl, so gnade ihr Gott!
9.
Die Medien: parteiisch, käuflich, servil.
10.
Die Dienste: die Zahl ihrer Mitarbeiter ist Legion. Zu manchen pflegt
Basescu engen Kontakt. Deshalb hat er auch ständig Interna parat,
die er, je nach Interessenlage, freigiebig der Öffentlichkeit
zufließen lässt (s. seine Enthüllungen zu Pontas
Geheimdiensttätigkeit). Die Medien sind auch durchspickt. Das hat
jüngst ein landesweit bekannter Fernsehmoderator (just der, der
Iohannis der Spionage bezichtigte) live und exaltiert mit seiner
Selbstenttarnung demonstriert. Krönendes Sahnehäubchen: der Chef
des Auslandsgeheimdienstes, der als Unabhängiger kandidiert.
11.
Die Gesellschaft: so gespalten, als laufe eine Maginot-Linie durch
sie hindurch. Jeder steht sich selbst am nächsten, das Allgemeinwohl
– was schert es mich?
12.
Der Patriotismus: das Allesvereinende, zu dem sich jedermann bekennt.
Leider nur in der Theorie. Die Praxis spricht eine ganz andere
Sprache.
Fazit:
Rumänien ist nichts für
schwache Nerven!
Ioana Orleanu
Ioana Orleanu
Vielleicht hat der "Deutsche" doch eine Chance, weil die Wähler/innen in ihn ihre tiefsitzende Sehnsucht nach Kultur im Sinne von KULTIVIERTHEIT hineinprojizieren? Schön wäre es..!
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